Der richtige und vernünftige Mix und Einsatz an klimaneutralen Energien ist entscheidend!
Nicht nur die Erneuerbaren Energien stehen angesichts der Energiekrise, den verschärften Klimazielen und nicht zuletzt wegen der EU-Taxonomie im Fokus, sondern in Europa und der ganzen Welt auch die Kernenergie. Zu diesem Ergebnis kam auch die Online-Veranstaltung der Arbeitsgruppe Umwelt der Kreis-CSU Miltenberg. Nach der Begrüßung der Referenten Prof. Dr. Annalisa Manera (Professorin für Nuclear Safty & Multiphase Flows an der ETH Zürich), Martin Stock(Bürgermeister und Direktkandidat für den bay. Landtag), Christian Staat (Europabeauftragter der CSU Unterfranken), Alexander Hoffmann (Mitglied des Deutschen Bundestages und Innenpolitischer Sprecher der CSU im Bundestag) sowie Dr. Anja Weisgerber (Mitglied des Deutschen Bundestages und Landesvorsitzende des Arbeitskreises Umweltsicherung und Landesentwicklung (AKU) der CSU Bayern) zeigte sich Christian Schreck (Leiter Arbeitsgruppe Umwelt) sehr erfreut über die gute Teilnahme aus regionalen und überregionalen Gesprächsteilnehmer.
„Kernkraft und der Strom aus Erneuerbaren Energien – Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse – sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir sollten diese Energieformen kombinieren! Für die Kernenergie sprechen zwei gute Gründe. Unser primäres Klimaschutzziel ist so viel CO2 wie möglich zu reduzieren. Damit dies gelingt müssen wir die Nutzung von fossilen Energien stark verringern. Zeitgleich wird sich unser Strombedarf – nach Schätzungen von McKinsey – bis 2050 verdoppeln. Um diese Nachfrage zu decken, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Entwicklung von großen Energiespeichern nötig, aber auch die CO2-freie Kernenergie. Diese hat im Vergleich zur Wind- und Sonnenenergie, deren Angebot sehr schwankt, einen entscheidenden Vorteil: sie ist verlässlich und liefert gerade für die Industrie einen stetig verfügbaren Strom.“, so ETH-Nuklearingenieurin Prof. Manera, die einen interessanten und ausführlichen Einblick in den aktuellen Technologie- und Forschungsstand der Kernenergie gab.
Teile der Politik in Deutschland sind lange davon überzeugt gewesen, dass eine nachhaltige klimaschonende Energieversorgung nur durch den hundertprozentigen Ausbau von Solar- und Windenergie möglich ist. Der Blick zu unseren europäischen Nachbarn, aber auch global, zeigt, dass die Kernenergie als unverzichtbar zum Lösen der Klimaprobleme angesehen wird.„Mit der 2022 getroffen Entscheidung zur EU-Taxonomie – durch das Europäische Parlament – wurde die Kernenergie als nachhaltig und wichtiger Baustein hin zur Klimaneutralität anerkannt. Ab 2023 gelten somit Investitionen in diese Technologie, unter bestimmten Bedingungen in der EU, als grün.“, erklärte Christian Staat.
Manera, die vor ihrer Zeit an der ETH-Zürich in Michigan als Professorin dozierte, lenkte den Blick der Teilnehmer auf die USA: „Kernenergie hat in den Vereinigten Staaten eine starke parteiübergreifende Unterstützung, die die Entwicklung eines stabilen, soliden Nuklearprogramms ermöglicht. Die US-Regierung sieht in der Kernenergie einen entscheidenden Faktor auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft und investiert viel Geld in den Erhalt der Kernkraftwerke, aber auch in die Forschung und Bau von Mikroreaktoren, die in den letzten vier bis fünf Jahren entwickelt wurden und eine Leistung von bis zu 10 MWe haben. Denn diese sind durch ihre geringeren Baukosten weitaus wirtschaftlicher, als große herkömmliche Kernkraftwerke, zugleich lassen sich die Kosten durch eine Serienfertigung noch weiter reduzieren. In den letzten zehn Jahren sind in den USA so viele Start-ups in dem Bereich der Nuklearindustrie entstanden wie nie zu vor (z.B. 2008 Terrapower von Bill Gates, 2009 X-Energy, 2013 Oklo inc, 2016 Kairos Power).“ Mit dem „Inflation Reduction Act“ investiert die USA, massiv in grüne Technologien. Dabei soll einerseits die Inflation gesenkt, andererseits soll der Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität vorangetrieben werden. Die USA gehen den Weg über finanzielle Anreize statt über Regulierung & Verbote, wie in der EU.
„Wir hingegen haben eine Bundesregierung, die trotz der akuten Energiekrise für den 15. April 2023 die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland beschlossen hat. Unsere europäischen Nachbarn schütteln über diese Entscheidung nur den Kopf und wundern sich über den eingeschlagenen Weg angesichts der Energiekrise, die noch dazu den Klimazielen (mit der Reaktivierung von Kohlekraftwerken) entgegensteht. Die Kernkraftwerke müssen vorübergehend in Betrieb bleiben und die bereits stillgelegten Reaktoren sollten als Reserve behalten werden.“, so Bundestagabgeordneter Alexander Hoffmann, der sich mit seiner Kollegin Dr. Anja Weißgerber für eine Änderung des Atomgesetzes ausspricht.
Mit dieser Änderung würden sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen anpassen lassen, damit die laufenden Kernkraftwerke zumindest bis Ende 2024, idealerweise jedoch bis zum Ende der Krise, weiterlaufen könnten. „Denn neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien, wäre das die einzig richtige Entscheidung, auch im Hinblick auf die Energieversorgungssicherheit und die Preisentwicklung“, so Hoffmann. „Es kann nicht die Lösung sein, Atomkraft aus dem Ausland zu importieren, wenn wir hier ebenfalls die Möglichkeiten hätten und diese aus ideologischen Gründen nicht nutzen“, ergänzte Martin Stock.
„Die Verzögerungen der Kernkraftprojekte in Europa lassen sich damit erklären, dass zwanzig Jahre lang kein neues Kraftwerk in Betrieb genommen wurde. In anderen Ländern wie Südkorea und China existiert dieses Phänomen nicht, hier ist die entsprechenden Liefer-, Wissens- und Zertifizierungsketten nicht abgerissen. Frankreich baut jetzt seine Lieferketten wieder auf. Aus diesem Grund werden sich die Probleme, welche in Olkiluoto und Flamaville aufgetreten sind, in ihrem britischen Projekt nicht wiederholen. In Großbritannien gab es aufgrund von Covid einige Verzögerungen in der Lieferkette, wie sie auch in anderen Branchen zu spüren waren.“, berichtete Prof. Manera.
Auf die Frage, ob sich eine Reaktorkatastrophe wie Fukushima wiederholen könne, antworte Frau Manera wie folgt: „In Fukushima stand ein alter Reaktor aus den 70er, eine sogenannte frühe Generation II. Allerdings war das Problem nicht, dass es ein alter Reaktor war, sondern dass es einer war, der nicht angemessen „nachgerüstet“ wurde, wie es bei den alten Reaktoren in Deutschland, der Schweiz usw. gemacht wurde. Bei Reaktoren der Generation III (wie ERP) befinden sich die Dieselmotoren in einem Bunker. Dies gilt auch für entsprechend „nachgerüstete“ ältere Reaktoren. Die Generation III+ (wie Westinghose AP 1000, bereits in China und den USA in Betrieb) werden keine Dieselmotoren mehr benötigt, da sie über passive Sicherheitssysteme verfügen, die keinen Strom benötigen, um zu funktionieren. Weiterhin wird sogar verhindert, dass es zu einer Ansammlung von Wasserstoff kommt, auch dies beugt einer Explosion vor. Selbst bei einer Kernschmelze, welche bei der neuen Generation auf eine Wahrscheinlichkeit von 1 : 1 000 000 sinkt (im Vergleich Fukushima lag bei 1: 10000), bleibt die Schmelze im Reaktorgefäß.“
Auf die Nachfrage von Christian Staat ob es technisch möglich sei, die drei noch laufenden Kernkraftwerke über den 15.4. zu betreiben, antwortete Manera positiv. Brennstäbe könnten noch rechtzeitig besorgt werden und Wartungen lassen sich noch durchführen. Lediglich am politischen Willen und öffentlichen Druck dazu mangelt es in Deutschland. Im Laufe des Vortrags kam es zur Frage, ob man sich somit wieder in Abhängigkeit begeben würde. „Kernenergie braucht keinen stetigen Nachschub, denn die Kernelemente bleiben vier bis fünf Jahre im Reaktor und die fünf größten Produzenten sind Kasachstan, Kanada, Australien, Namibia und Usbekistan gefolgt von Niger und Russland (Platz 7) usw.“
„Technisch gesehen ist die Abfallentsorgung gelöst, die Umsetzung ist letztlich eine politische Entscheidung. Dies wird auch vom deutschen Öko-Institut so gesehen. Radioaktive Abfälle müssen lange Zeit eingedämmt werden, die Radioaktivität nimmt mit der Zeit ab. Chemische Abfälle bleiben stattdessen für immer giftig, d.h. toxische Abfälle sind für die Ewigkeit toxisch. Finnland will z.B. Mitte der 2020-er das erste Endlager für hoch radioaktiven Abfall in Betrieb nehmen.“ Durch diese Aussage wurde das Kontraargument der Abfallentsorgungsproblematik durch die Referentin entkräftet.
Abschließend dankte Christian Schreck allen Teilnehmenden für den intensiven Diskurs und verwies, dass „keine Energiequellen gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Denn der richtige und vernünftige Mix und Einsatz an klimaneutralen Energien ist entscheidend!“
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