Etwa 40 Teilnehmende aus dem In- und Ausland lockte das aktuell medial sehr kontrovers diskutierte Thema zu einer Online-Veranstaltung der CSU AG Umwelt am vergangenen Freitag. Nach Begrüßung des Referenten Christian Staat, Europa-Beauftragter der CSU Unterfranken, und des Landtagsabgeordneten Berthold Rüth, zeigte sich Vorsitzender Christian Schreck sehr erfreut, dass auch Gäste aus der Schweiz und aus Dänemark teilnahmen. Ebenfalls begrüßte Schreck Dr. Johannes Huber, Geschäftsführer der Mainsite, der Betreibergesellschaft des Industrie Centers Obernburg, die am Standort Obernburg ein hochmodernes mit Gas befeuertes Kraftwerk in Kraft-Wärme-Kopplung betreibt.
Ob Atom und Gas künftig EU-weit als grüne Energieformen gelten sollen bot viel Gelegenheit zur Diskussion. Denn aktuell arbeitet die Europäische Union an einem bislang einzigartigen Klassifizierungssystem, das festlegt, welche wirtschaftlichen Aktivitäten künftig als nachhaltig und klimafreundlich gelten sollen. Christian Staat erläuterte zunächst, dass die Realisierung des Ziels, die EU bis 2050 klimaneutral zu bekommen, nur mit Unterstützung privater Kapitalgeber möglich sei. Erste Erfolge habe man bereits erzielt. So stieg der Anteil der als grün klassifizierten Fonds von 0,4% im Jahr 2012 auf 4,5% in 2020. Bereits 2018 habe die CDU/CSU einen Vorschlag zur Schaffung nachhaltiger Finanzen unterbreitet. Denn private Kapitalgeber erwarten einen einheitlichen Rechtsrahmen und damit EU-weite Rechtssicherheit, wenn sie investieren sollen. Daher wurde ein wissenschaftliches Bewertungssystem erarbeitet. Als nachhaltig zählen: Investitionen zur Schaffung von Klimaanpassungen, in Wind- und Solarenergie, in nachhaltige Arbeitsweisen, in den Schutz von Wasser und Meeren, in Maßnahmen zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft und des Recyclings oder in Minderungen von Verschmutzungen. Außerdem müssen soziale und arbeitsrechtliche Standards verpflichtend eingehalten werden. Der von der Expertengruppe erstellte Bericht deckt etwa 93% aller wirtschaftlichen Tätigkeiten und Emissionen ab. Dies hat auch Auswirkungen auf die Finanzierung geplanter Investition, die sich am Nachhaltigkeitsgrad der Maßnahme orientieren. Denn Banken müssen ab 2023 in ihren Geschäftsberichten anführen, wie hoch die Quote ihrer Kreditvergaben für nachhaltige Investitionen liegt.
Prinzipiell seien Atom und Gas nicht grün, so Staat. Investitionen könnten aber grün werden bei Beachtung spezieller Vorgaben: bei Atominvestitionen muss es sich um Atommeiler der neuesten Generation handeln, diese dürfen nicht nach 2045 gebaut werden und ab 2040 muss ein Entsorgungsplan für die verbrauchten Brennstäbe geben. Gas betrachtet man als Brückentechnologie. Sie gilt als nachhaltig, wenn ab 2026 mindestens 30% emissionsfreier Brennstoff, z.B. grüner Wasserstoff, eingesetzt wird.
Während in vielen Staaten der EU die Energiegewinnung aus Atom und Gas als überwiegend nachhaltig und positiv eingeschätzt werde, sei die deutsche Ampelkoalition vehement dagegen. Allerdings, so Staat, bestehe für die deutsche Regierung kaum eine Chance, den EU-Entwurf zu Fall zu bringen, da sie dafür keine Mehrheit finde. Nach Zustimmung der EU-Gremien gelte das Gesetz ab 2023. Es bleibe mit Blick auf Gas abzuwarten, wie streng die Handhabung innerhalb Deutschlands erfolgen werde. Gas sei als Brückentechnologie unverzichtbar, um den Energiewandel überhaupt durchführen zu können, so Staat abschließend.
Landtagsabgeordneter Berthold Rüth betonte, dass der Einsatz von Gas auch weiterhin erforderlich sei, um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung und der Wirtschaft überhaupt gewährleisten zu können. In jedem Fall steige jedoch die Abhängigkeit von Energieimporten aus dem Ausland, so Rüth, entweder aus Atommeilern, z.B. aus Frankreich, oder von russischem Gas. Bayern verfüge über eigene Wasserkraft und Solarenergie. Gas bleibe aber trotzdem unverzichtbar, bis die Trassen für den an der Nordseeküste erzeugten Strom fertig gebaut sind.
Dr. Johannes Huber unterstrich, dass Gas als Energieträger für die Energiewende zwingende Voraussetzung sei. Umso dramatischer seien die aktuellen massiven Preissteigerungen bei Gas für Unternehmen und Privathaushalte gleichermaßen. Hinzu komme, dass das Stromnetz heute bei weitem nicht mehr so stabil sei, wie noch in früheren Jahren. Gerade die erneuerbaren Energien Wind und Solar sind nie gleichmäßig verfügbar. Für Spitzenzeiten benötige man nach wie vor konventionelle Kraftwerke, die schnell auf den jeweiligen Bedarf reagieren, z.B. um die Mittagszeit, wenn viele Herde zum Kochen genutzt oder am Abend, wenn die Fernseher angeschaltet werden. Die in der EU bestehenden Stromnetze seien außerdem nicht auf schnelle Transfers großer Energiemengen über weite Strecken ausgelegt. Dies erhöht das Risiko für einen großflächigen Blackout weiter. Das ICO-Kraftwerk verfügt über Stromerzeugungsanlagen, die neben dem Standort den Landkreis Miltenberg versorgen und schnell zu- oder abgeschaltet werden können – je nach Bedarf und Angebot an Wind- oder Solarstrom. Sie lässt sich notfalls vom öffentlichen Netz abkoppeln und im Inselbetrieb ausschließlich für das ICO fahren. „Einen Blackout im öffentlichen Netz können wir aber leider nicht verhindern“, so Dr. Huber. Dass kurzfristige und lokale Blackouts in Dänemark, wo ca. 70% des Stroms aus Windkraft gewonnen wird, häufiger vorkommen, bestätigte Dr. Buchmann.Blackouts hätten massive Auswirkungen und unterbrechen sensible betriebliche Prozesse, was für die Unternehmen ein deutliches Risiko darstellt.
Auf die Frage, inwieweit erneuerbare Energien ein Thema für das ICO seien, verwies Dr. Huber auf die permanenten Investitionen in die sichere Energieversorgung der Standortkunden. Bereits heute prüfe man die Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff und dessen Erzeugung aus der Abwärme des Kraftwerks zum regionalen Einsatz. Es könne durchaus sein, dass in 10 Jahren Gas „out“ sei und dafür nachhaltige Energieformen zum Einsatz kommen. Dies wäre denkbar, wenn z.B. Stromüberschüsse aus Wind in geeigneten Speichermedien gepuffert würden, was heute leider noch nicht möglich sei. Eine sichere und vor allem unterbrechungsfreie Energieversorgung lässt sich aktuell ohne konventionelle Energien noch nicht sicherstellen. Daher setze man stärker auf eine Mischung der Energieformen. Dies betrachte er als die beste Alternative. Dabei gelte es den Wandel auch unter Beachtung der verschiedenen regionalen Gegebenheiten gemeinsam mit regionalen Einrichtungen konsequent voranzutreiben und auch das Energiesparen dürfe nicht vernachlässigt werden.
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