Videokonferenz – Prof. Dr. Ute Seeling – Direktorin der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften an der BFH in Zollikofen (Bern, Schweiz) und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft – und die Arbeitsgruppe Umwelt des Kreisverbandes Miltenberg tagten zur aktuellen Diskussion „bewirtschafteter Wald oder Naturwald“
Es ist absolut richtig, dass ein Naturwald ist vorratsreicher als unser deutscher Wald. Aktuell haben wir in Deutschland – mit über 300 VFm/ha – die vorratsreichsten Wälder in ganz Europa, die größten Teils bewirtschaftet sind. Mit der nächsten Bundeswaldinventur 2024 wird sich zeigen, wie es sich nach den großen Kalamitäten in den Jahren 2020 und 2021 verhält. Es gibt auch Naturwälder, die bei insgesamt 600 Fm/ha liegen, hierzu gibt es unterschiedliche Studien.
Allerdings müssen in dem komplexen System „Wald“, wie auch in jedem anderen System, alle Parameter betrachtet werden. Eine Überbewertung – aus welchen Gründen auch immer – schadet immer. Der oft angeführte Parameter „Vorrat“ ist zu eindimensional. Der umfassendere Blick wären die Parameter „Zuwachs“ plus die „Verwendung“. So ist in mittelalten Beständen der Zuwachs je Hektar der Höchste, alte Bestände haben jedes Jahr nur noch einen geringeren Zuwachs.
Unter Klimagesichtspunkten müssten wir als Gesellschaft daran interessiert sein, möglichst zuwachsstarke Bestände heranzuziehen, damit die CO2-Bindung fortlaufend hoch ist. Dies lässt sich jedoch nicht maximieren, denn sonst würde man in zuwachsstarken Plantagen enden und damit andere Funktionen des Waldes wie die Biodiversität beeinträchtigen. Der Aspekt des Klimaschutzes darf nicht überhöht werden, denn sonst würden die anderen Waldfunktionen beeinträchtigt werden.
„Mit der Fokussierung auf den Vorrat und auf die hohe Biodiversität sehr alter Wälder wird der Fokus nur auf zwei Aspekte aus dem Bereich der Nachhaltigkeit gerichtet, die aber immer einen Ausgleich der drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales darstellt.“, so Prof. Seeling und ergänzte: „Leider wird der sehr wichtige Subsitutionseffekt ganz außer Acht gelassen. Jeder Balken Holz, der verbaut wird, ersetzt den sehr viel energieintensiveren Stahl sowie den CO2 intensiven Zement. Jedes Holzscheit das verbrannt wird, ersetzt fossile Brennstoffe (hier gelangt im Erdinnern gebundener Kohlenstoff zusätzlich in die Luft), jeder Holztisch, der gebaut wird, ersetzt Plastik, usw.
Natürlich ist die Nutzung unserer Wälder nicht endlich zu steigern, sondern müssen dem angepasst erfolgen, was auch wieder zuwächst – aber auch das ist eine Binsenweisheit!“
„Was wir als wichtigen Aspekt nicht vergessen dürfen: Die Nutzungsbeschränkungen in den Wäldern, wie sie mit der Ausweisung der verschiedenen Schutzgebiete verbunden sind, führen dazu, dass weniger heimisches Holz auf den Markt kommt. Hier durch entstehen aber weitere Probleme.“, so Christian Schreck.
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